Mühlen

Schillings Mühle

Wer heute von Holtheim kommend in Richtung Blindeborn / Blankenrode auf der Kreisstraße 24 den von Marschallshagen kommenden Hasebach überquert, weiß zumeist nicht mehr, daß er jene Stelle passiert, an welcher sich bis zum 19. August 1908 das mächtige Wasserrad der Holtheimer Mühle drehte. Die in Holtheim zumindest Älteren noch nach der letzten Besitzerfamilie als „Schillings Mühle“ bekannte Wassermühle brannte an diesem Tage aus ungeklärter Ursache ab und wurde nie wieder aufgebaut. Seit der Verlegung der Landstraße 1964/65 bietet sich die alte Mühlenstätte dem Betrachter zudem in einem ganz veränderten Bild dar. Kundige Augen können nur noch spärliche Reste des ehemaligen Mühlengrabens in den angrenzenden Wiesen entdecken. Noch bis zum verheerenden Hochwasser 1965 war dieser Mühlengraben als letzter Rest des Betriebes wasserführend und das alte Einlaufwehr erhalten. Jetzt erinnert nur noch die Bezeichnung „Mühlenberg“ für die Steigung in Richtung Holtheim an die einstige Mahlmühle.

Da der Mühlenstandort heute den meisten Holtheimern nicht mehr genau bekannt ist, haben sich Willi Wanders und Willi Grewe im Jahre 2008 die Mühe gemacht, die Mühle nach den alten Katasterunterlagen noch einmal einzumessen und ihren Grundriß im Gelände abzustecken. Fast genau 100 Jahre nach ihrem Verschwinden war die Holtheimer Mühle über die Pfingstage noch einmal erlebbar geworden.

Umfangreiche Einblicke in das Leben der Müllerfamilie und das der Gemeinde Holtheim im ausgehenden 19. Jahrhundert bietet eine umfangreiche Familienchronik von August Schilling, die sich bis heute erhalten hat und die somit eines der wenigen originalen Zeitdokumente aus jenen Jahren darstellt, sieht man von amtlichem Schriftverkehr einmal ab.

Prof. Dr. Hans-Dieter Schilling aus Hattingen ist heute im Besitz der Familienchronik von August Schilling. Er hat das Schicksal der Familie Schilling und ihrer Mühle anhand der alten Familienunterlagen für uns noch einmal nachgezeichnet.

M. Müller

Die folgenden Bilder zeigen die Neueinmessung des alten Mühlenstandortes, Pfingsten 2008.


Aus der Geschichte der Holtheimer Mühle

1. Die Mühle und ihre Besitzer

1.1. Von den Ursprüngen bis zur Familie Schilling

Der Ursprung der Mühle liegt, wie so oft, im Dunkel der Geschichte. Erstmals erwähnt wird die Mühle in einem „Verzeichnis der Mühlen und Müller im Canton Lichtenau und Atteln“ von 1830 (Erzbischöfl. Akad. Bibliothek Paderborn, Act. 330). Otto Meisner wird in der Auflistung als Müller genannt. Wie alt die Mühle damals war und ob Meisner Eigentümer oder nur Pächter war, bleibt ungeklärt. In den Akten taucht sie erst im Jahre 1854 wieder auf (s.u.) Der Müller Johann Michels wollte die bestehende Mahlmühle um eine Öl- und Graupenmühle erweitern, wozu der Einbau eines zweiten Wasserrades erforderlich war. Dieses Ansinnen gefiel nun einigen Holtheimer Bauern als Wiesenanliegern gar nicht. Sie hatten richtig erkannt, daß mit einem zweiten Gerinne auch beide Räder gleichzeitig betrieben werden konnten, wozu natürlich auch mehr Wasser benötigt und dem Bachlaufe entzogen werden würde. Michels hatte aber bereits angegeben, die Räder und damit die Mahlwerke nur wechselweise laufen lassen zu wollen. Diese seine Einschätzung war durchaus richtig und die Befürchtung der Anlieger eine sehr theoretische. Der Kraftbedarf eines Steinganges in der Mahlmühle bzw. von Stampfwerk und Kollergang der Ölmühle oder des Schälganges in der Graupenmühle ist jeweils mit etwa 5 Pferdestärken so hoch, daß das wenige Wasser des Hasebaches jeweils nur ein Gewerk treiben kann. Trotzdem legten die Ackerwirte Arnold Günther, Martin Meier und Bern(h)ard Schlender bei der Amtsverwaltung in Lichtenau Widerspruch ein, da sie befürchteten, daß ihnen das zur Bewässerung ihrer Wiesen dienende (und auch zustehende) Wasser entzogen würde. Hierbei ist anzumerken, daß das „Flößen“ der Wiesen vor Einführung des Kunstdüngers eine sehr wichtige wachstumsfördernde Maßnahme war. Der Lichtenauer Amtmann greift vermittelnd ein und empfiehlt der Regierung in Minden, die Konzession nur unter der Auflage zu erteilen, daß Michels die Triebwerke nur im Wechsel betreiben dürfe. Ab hier wird die Aktenlage leider etwas lückenhaft, Michels scheint aber der langwierigen Streiterei überdrüssig geworden zu sein. In einem weiteren Brief des Lichtenauer Amtmannes an die Mindener Regierung vom 6.10.1854 heißt es, Michels habe die Mühle verkauft (an wen, ist leider derzeit ebenfalls unbekannt) und die hiesige Gegend verlassen. Die geplante Erweiterung ist danach ebenfalls nicht mehr durchgeführt worden.

Erst im August 1868 wurde die Mühle von dem Müller Joseph Drolshagen aus der Neuen Mühle in Husen gekauft. Dieser beabsichtigte, die inzwischen recht baufälligen Gebäude abreißen und neu aufführen zu lassen, was ihm am 25. September des Jahres auch genehmigt worden ist. Die Mühle wurde daraufhin als Fachwerkbau mit einer Grundfläche von 16 x 12,7 Metern neu errichtet. Das Untergeschoß der Giebelseite mit dem Wasserrad war massiv aufgeführt. Hinzu kam noch eine unterhalb gelegene Scheune von 9 x 5,6 Metern Grundfläche sowie ein Backhaus von 6,7 x 5 Metern Grundfläche. Über die technische Einrichtung der Mühle wissen wir wenig. Der Antrieb erfolgte über ein oberschlächtiges Wasserrad, dessen Durchmesser sich mit etwa 5,5, bis 5,6 Metern rekonstruieren läßt, da der Höhenunterschied zwischen Gerinnesohle und Untergrabensohle 5,64 Meter betragen hat (s.u.). Dem Rad wurde das Wasser durch einen etwa 300 Meter langen Obergraben zugeführt, der mittels eines Überfallwehres aus Sandstein vom Hasebach abgezweigt war und kurz vor der Mühle eine teichartige Ausweitung aufwies, um zusätzlich Betriebswasser anstauen zu können. Aufgrund der verfügbaren Wassermenge dürfte die Mühle mit zwei Mahlgängen gearbeitet haben, wahrscheinlich einen für Futterschrot und einen für Backmehl. Der Betriebszeit entsprechend dürfte der Mehlgang über einen sogenannten Sechskantsichter verfügt haben, mit dessen Hilfe Mehl und Kleie nach der Vermahlung voneinander getrennt wurden. Joseph Drolshagen blieb einige Jahre Eigentümer der Mühle, 1881 verkaufte er sie an die Müllerfamilie Schilling aus Baldeborn bei Remblinghausen.

1.2. Die Mühle im Eigentum der Familie Schilling

Der neue Besitzer August Schilling entstammte einer Müllerfamilie mit recht bewegter Vergangenheit.

Über das weitere Schicksal der Familie Schilling und der Mühle sind wir sehr gut unterrichtet, da der älteste Sohn, August Schilling jun., eine sehr umfangreiche Familienchronik erstellt hat, die noch erhalten ist und uns das Leben in der Mühle und im nahen Dorf Holtheim eindrucksvoll schildert. Auch August Schilling sen. hatte wohl mit der Mühle seine liebe Last, war der reine Mühlenbetrieb doch aufgrund seines geringen Umfanges nicht geeignet, die Familie zu ernähren. Sehr bald schon kam neben Mühle und Landwirtschaft daher der Verkauf von Flaschenbier und eine Art Sommerwirtschaft hinzu, die eine Nebeneinnahme sicherstellten. Das Bier wurde von der Brauerei in Westheim bezogen. Ältere Holtheimer berichteten oft, die heimkehrenden Waldarbeiter seihen vor dem Anstieg ins Dorf gern in der Mühle eingekehrt, und auch an den Sonntagen sei sie ein beliebtes Ausflugsziel für Groß und Klein gewesen. Unter anderem baute August Schilling jun. in jenen Jahren ein Karussell für die Gäste (s.u.). Auch manche technische Verbesserungen an der Mühle gingen auf seine Initiative zurück. Problematisch für den Mühlenbetrieb war die oberhalb in Marschallshagen gelegene Stampf- und Schleifmühle der Glashütte. Durch deren großen Stauteich war der Holtheimer Mühle in der Einstauzeit fast das ganze Betriebswasser entzogen, weshalb August Schilling sen. Mehrere erfolglose Eingaben an die Behörden machte. Da aber die Tengesche Mühle wasserrechtlich legal betrieben wurde, war in dieser Angelegenheit für ihn nichts auszurichten. Pächter der Marschallshagener Glasfabrik war in jenen Jahren Johannes Köster.

Nach August Schillings Heirat und Übersiedlung nach Beckum übernahm sein Bruder Johann Schilling die Mühle. Ihr Ende kam im Jahre 1908. Die Ortschronik für August des genannten Jahres bemerkt lapidar: „Am 19. brannte die Holtheimermühle ab, die Entstehungsursache ist unaufgeklärt geblieben.“ Ein Wiederaufbau der Mühle erfolgte nicht, die Holtheimer waren hinfort gezwungen, die Wassermühlen in Lichtenau in Anspruch zu nehmen. Einige wenige ließen auch auf der „Ölmühle“ in Husen ihr Getreide mahlen.


2. Akten zur Geschichte der Holtheimer Mühle

2.1. Projektierte Anlage einer Öl- und Graupenmühle, 1854

Holtheim im Kreise Büren am 9. März 1854
Veränderung an der Mühle des Müller Michels dahier betreffend.
Einer königlichen hochlöblichen Regierung erlaube ich mir Folgendes ganz gehorsamst vorzutragen.

Ich besitze in Holtheim eine Wassermahlmühle mit einem oberschlägigen Wasserrade und ist diese die einzige in der Gemeinde Holtheim. Das Bedürfniß erheischt es, daß in hiesiger Gemeinde eine Öl und Graupenmühle angelegt wird. Es ist daher mein Wille, diese neu anzulegen. Es soll bloß eine kleine Wasserrinne neben der jetzigen Mahlmühlenrinne angelegt, auch ein zweites Wasserrad muß angelegt werden. Letzteres erhält eine erforderliche Welle von Holz. Die Ölmühle soll eine Presse erhalten. An der Bewegung des Wassers wird nichts verändert, indem weder eine andere Betriebsstätte genommen, noch eine Änderung in der Aufstauung des Wassers vorgenommen wird, denn es soll die Mahlmühle mit der Öl und Graupenmühle nur wechselseitig betrieben werden. Wie die gehorsamst anliegende Handzeichnung ergiebt, wird die Öl und Graupenmühle mit der Mahlmühle durch Anbau unbedingt in Verbindung gebracht und ist die letztere daher wohl nur eine  Veränderung. Die Anlegung neuer Anlagen bedarf nach § 28 der Allgemeinen Gewerbe-Ordnung nur der Genehmigung Einer Königlichen Hochlöblichen Regierung und bitte Hochdieselbe ich ganz gehorsamst diese meine Ansicht quiae[?] bestätigen zu wollen.

[gez.] Johann Michels
[Quelle: Staatsarchiv Detmold, Signatur M 1 | U Nr. 666]


Der Müller Johann Michels zu Holtheim beabsichtigt, an seiner oberschlägigen Mahlmühle eine Veränderung dahin vorzunehmen, daß an der vorhandenen Mahlmühle noch ein Oel- und Graupengang als Wechselwerk jedoch ohne Veränderung des Wasserstauesangebracht werde. In Gemässheit des § 29 der Allgemeinen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 wird dies mit der Aufforderung zur öffentlichen Kenntniss gebracht, etwaige Einwendungen gegen die bezeichnete Mühlenveränderung binnen 4 Wochen Präclusiv-Frist bei mir anzumelden und zu bescheinigen.
Lichtenau, d. 20. März 1854

Der Amtmann [gez.] Schnückel
[Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464.]


Lichtenau  22ten April 1854
Erschienen
Die Ackerwirte Arnold Günther, Martin Meier und Bernard Schlender aus Holtheim und trugen vor:

Der Müller Johann Michels in Holtheim beabsichtiget an seiner oberschlägigen Mahlmühle eine Veränderung dahin vorzunehmen, daß an der vorhandenen Mahlmühle noch ein Oel- und Graupengang als Wechselwerk angelegt werde. Wir haben oberhalb der Mühle des Michels Wiesen liegen und von jeher das Recht ausgeübt, diese Wiesen mit dem Wasser des Mühlenbaches, auf welchem die Mühle liegt, zu beflössen. Das der g. Michels ein Wasserrad ununterbrochen in Betriebe hat, dagegen können wir nicht protestieren, wohl aber dagegen, daß er 2 Wasserräder zugleich in Benutzung setzt. Wir bitten daher, dem Michels nur die Concession dahin ertheilen zu wollen, daß er, wenn auch 2 Wasserräder vorhanden, diese aber nicht zugleich in Betrieb setzen darf.
[Es folgen die Unterschriften der Petenten und des Amtmannes von Lichtenau. Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464. ]

Verhandelt
Lichtenau, den 20ten Mai 1854

Auf Vorladung erschien der Müller Johann Michels aus Holtheim, welchem die vorstehende Verhandlung bekannt gemacht wurde. Derselbe erklärte: daß er den genannten Personen das Recht, den Mühlenbach zur Bewässerung ihrer Wiesen zu benutzen, nicht einräumen könne und [unleserl.] hinsichtlich der Richtigkeit der gemachten Angaben erwarten[?] müsse. Uebrigens werde es auch mit Rücksicht darauf, daß nicht besonders viel Wasser vorhanden sei, selten vorkommen, daß er beide Gänge gleichzeitig in Betrieb setzen könne.
[Es folgen die Unterschriften des Johann Michels und des Amtmannes. Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464.]


Lichtenau den 24ten Juli 1854
Mühlenanlage des Johann Michels zu Holtheim

Einer Königlichen Hochlöblichen Regierung verfehle ich nicht bei Rückreichung des hochverehrten Marginal-Rescripts vom 13. März die ganz gehorsame Anzeige zu machen, daß die öffentliche Bekanntmachung bezüglich der Anlegung eines Öl und Graupenganges, seitens des Müllers Johann Michels zu Holtheim erfolgt ist.
Gegen die Anlegung dieser Mühlenwerke haben die Ackerwirthe Arnold Günther, Martin Meier und Bernard Schlender zu Holtheim nach Ausweis der beiliegenden Verhandlung vom 22ten April Protest erhoben und angegeben, daß wenn die Mühlenwerke mit der bereits vorhandenen Mahlmühle gleichzeitig in Betrieb gesetzt werden würden, ihnen dadurch das zur Bewässerung ihrer oberhalb der Mühlen des Michels belegenen Wiesen nothwendige Wasser entzogen werden würde.
Diese Einwende dürften zwar meines Erachtens keinen gesetzlichen Grund abgeben, dem p. Michels die nachgesuchte Conzession zu versagen; indessen steht jenen Personen nach dem Gesetze vom 28ten Februar 1843 allerdings das Recht zur Benutzung des Mühlenbaches zu dem angegebenen Zwecke zu und damit dieselben in Ausübung dieser Befugniß nicht gestört werden, stelle Einer Königlichen Hochlöblichen Regierung ich ehrerbietigst anheim, dem p. Michels die Conzession mit der Maßgabe zu ertheilen, daß die Mühlenwerke nur abwechselnd und mit einem Mühlenrade in Betrieb gesetzt werden können wenn anders nicht angenommen wird, daß die Einwendungen [unleserl.] rechtlicher Natur und solche daher zur richterlichen Entscheidung zu verweisen sind.
Der p. Michels hatte vor längerer Zeit das Projekt aufgegeben und bei mir den Antrag gestellt, die Sache zur Vermeidung weiterer Kosten ruhen zu lassen. Jetzt ist von demselben aber der Antrag um Ertheilung der Conzession erneuert worden.

Der Amtmann [gez.] Schnückel
[Quelle: Staatsarchiv Detmold, Signatur M 1 I U Nr. 666]


Lichtenau den 6ten Oktober 1854
Die Mühlenanlage des Michels zu Holtheim betr.

Einer Königlichen Hochlöblichen Regierung verfehle ich nicht, bei Rückreichung des hochverehrten Marginal-Reskripts vom 1. August die ganz gehorsame Anzeige zu machen, daß ich den Müller Michels nach Ausweis der den beiliegenden Verhandlungen beigefügten Verfügung bereits am 9. August aufgefordert habe, den verlangten Situationsplan einzureichen.
Dieser Verfügung ist der p. Michels aber nicht nur nicht nachgekommen, sondern er hat auch inzwischen die fragliche Mühle verkauft und die hiesige Gegend verlassen.
Unter diesen Umständen dürften die Verhandlungen zu [unleserl.] sein.

Der Amtmann [gez.] Schnückel


Die mittelst Berichts vom 6ten d. M. Nro. 2725 eingereichten Verhandlungen in Interesse der Veränderung der Mühle des Michels zu Holtheim, senden wir Euer [unleserl.] mit dem Bemerken zurück, daß nachdem der Provokant die Mühle verkauft hat, anzunehmen ist, daß er von dem angemeldeten Project Abstand genommen hat. Den widersprechenden Interessenten ist dieses bekannt zu machen und sind [unleserl.]

Minden, den 27ten October 1854
Königliche Regierung, Abtheilung des Innern
[Unterschrift unleserlich. Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464.]


An den Herrn Amtmann Schnückel Wohlgeboren zu Lichtenau mit dem ergebenen Bemerken zurück, daß den genannten Personen von der Sache Kenntniß gegeben ist, und daß der g. Michels die Graupenmühle schon angelegt hat.

Holtheim, d. 29ten November 1854
Der Vorsteher    [gez.] Günther
[Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464]

2.2 Neubau der Holtheimer Mühle, 1868

Lichtenau, den 1ten Juli 1868
Erläuterungs-Bericht betreffend die neue Einrichtung und Umbau einer Mühle nebst Wohnhaus bei Holtheim, durch den jetzigen Besitzer Müller Joseph Drolshagen zur Neuenmühle bei Husen.

An dem Holtheimer Mühlenbache, welcher von Marschallshagen in der Richtung nach Amerungen und Husen herabfließt, liegt die sogenannte Holtheimer Mühle, welche seit Jahren ganz in Verfall gerathen und kaum mehr in Betriebe war. Die Mühle ist nunmehr durch den Müller Joseph Drolshagen käuflich erworben, und beabsichtigt jetziger Besitzer, die Mühle nebst Wohnhaus vollständig neu zu bauen, und zwei Mahlgänge, welche durch ein Oberschlächtiges Wasserrad in betrieb gesetzt werden einzurichten. Die neue Einrichtung ist demnach einen Neubau gleich zu achten jedoch soll an dem seit langen Jahren bestehenden Wasser-Verhältnissen, namentlich an der Lage des Ober- und Untergrabens, an dem Gefälle ectr. nichts verändert werden.
Das Zuleitungsgerinne ist aus Bohlen gefertigt, und ist die Sohle des von dem früheren Wasserrade noch unverändert liegenden Gerinnes durch einen starken Fixpfahl von Herrn Kreisbaumeister Hammacher zu Büren festgestellt, sowie das Nivellement des Baches von demselben ausgeführt. Diese Sohle des Gerinnes liegt 18 Fuß [etwa 5,6 Meter] über der Sohle des Untergrabens und wird auch dieses seit langer Zeit bestehende Gefälle bei dem Umbau nicht verändert, der Mühlengraben wird fast ausschließlich von Wiesen begrenzt und hat derselbe fast durchgängig [unleserl.] Ufer. Die durchschnittliche Breite desselben beträgt 3 1/2 Fuß [etwa 1,10 Meter] und die durchschnittliche Tiefe des Wassers 1 Fuß [etwa 31 Zentimeter]. Im Sommer, bei anhaltender Dürre hört der Zufluß des Wassers gänzlich auf, beim Hochwasserstande tritt das Wasser auf die Wiesen und wird durch den Umfluthgraben abgeleitet.
Besondere Stauvorrichtungen werden nicht angelegt, vielmehr wird sämmtliches zufließendes Wasser ohne Aufstau zum Betriebe der Mühle verwendet. Beim Stillstande der Mühle wird dasselbe durch eine in der Seitenwandung des Gerinnes anzubringende Schütze in den Untergraben geführt.
Weder oberhalb noch unterhalb der Mühle sind Stauwerke vorhanden. Da der Wasserspiegel durch keine Staumarke bestimmt wird, derselbe vielmehr mit den jedesmaligen vorhandenen Wassermengen variirt, so ist ein Merkpfahl für denselben nicht vorhanden.
Die Einrichtung der Mühle und des Mühlengebäudes ist durch einen Grundriß auf dem Plan angedeutet. Auf Grund dieser Festsetzungen und Aufnahmen wird ganz gehorsamst um die Concession zu dem Umbau und der neuen Einrichtung der sogenannten Holtheimer Mühle gebeten.

Fr. Sarrazin      Zimmermeister
[Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464]


Büren, den 20. August 1868
Mühlenbau des Müllers Drolshagen zu Holtheim betreffend
An die Königliche Hochlöbliche Regierung, Abtheilung des Innern, zu Minden. No. 4200

Der Müller Joseph Drolshagen zu Holtheim hat die dortige ganz baufällige Mühle angekauft und beabsichtigt er, dieselbe abzubrechen und neu wieder aufzuführen. Die Wasserbetriebs-Verhältnisse bleiben von dieser Erneuerung ganz unberührt und bleiben dieselben ganz in demselben Zustande, wie sie bisher waren. Stauvorrichtungen sind überhaupt nicht vorhanden. An der Lage des Ober- und Untergrabens, an dem Gefälle der Sohle des Gerinnes p. p. wird nichts geändert.
Dem Ermessen Königlicher Regierung stelle ich daher gehorsamst anheim, ob nach dem Antrage des p. Drolshagen auf Grund des § 10 des Gesetzes vom 1. Juli 1861 nicht von der im § 3 l. c. vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung der obigen Anlage Abstand genommen werden kann.
Die vorgeschriebene Zeichnung und Beschreibung der neuen Mühlen-Anlage ist in duplo [d.i. in doppelter Ausfertigung] beigefügt.
Ein Merkpfahl [gibt die zulässige Stauhöhe des Wassers an] ist noch nicht gesetzt, was, wenn es für erforderlich erachtet wird, noch geschehen muß.

Der Königliche Landrath. In Vertretung  [Unterschr. unleserl.]
[Quelle: Staatsarchiv Detmold, Signatur M 1I U Nr. 666]


Minden, d. 25. September 1868

Dem Müller Joseph Drolshagen zu Holtheim, Kreis Büren, wird hierdurch die nachgesuchte landespolizeiliche Erlaubniß ertheilt, die an dem Holtheimer Mühlenbache belegene sogenannte Holtheimer Mühle unter folgenden Bedingungen abzubrechen und wieder neu aufzuführen:
1, Die eingereichten Zeichnungen und Beschreibungen, welche dem Kreisbauamte unterm 7. Juli zur Revision vorgelegen haben, sind der beabsichtigten Anlage zu Grunde zu legen.
2, Zur Feststellung der Stauhöhe ist ein Merkpfahl zu setzen.
3, Bevor die Anlage in Betrieb gesetzt werden darf, ist unter Beachtung aller dafür einschlagenden polizeilichen und sonstigen Verordnungen namentlich auch der gesetzlichen Bestimmungen wegen der Gewerbesteuer, die concessionsmäßige Ausführung derselben durch ein von dem Kreisbaubeamten auszustellendes Attest nachzureichen.

Königliche Regierung  Abtheilung des Innern gez. Becker.
[Quelle: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464]


Büren den 5. December 1868
An den Müller Joseph Drolshagen zu Holtheimer Mühle
Umstehend erhalten Sie Abschrift der Verhandlung am gestrigen Tage zu Ihrer Benutzung.
Der Königliche Landrath gez. von Brenken

Verhandelt auf der Holtheimer Mühle am 4. December 1868
In Sachen betr.: Die Regulierung der Fluthverhältnisse der umgebauten Holtheimer Mühle, jetzt im Besitze des Joseph Drolshagen, hatte der unterzeichnete Landrath zur Setzung des Merkpfahles in Verfolg der Verfügung Königlicher Regierung zu Minden vom 25. September No 2534 U.F.I auf heute Termin anberaumt.
Anwesend waren:

1, Der Königliche Kreisrichter Herr Schmitz aus Lichtenau,
2, Der Königliche Kreisbaumeister Herr Hammacher aus Büren,
3, Der Mühlenbesitzer Joseph Drolshagen von hier
4, Die hierneben aufgeführten Adjacenten [d.i. Anlieger]:
1, Herr Max Petri
2, Herr Förster Günther von Marschallshagen als Bevollmächtigter des Rittergutsbesitzers Tenge
3, Ackerwirth Anton Günther
4, “ Conrad Günther
5, “ Ludwig Schaefers
sämmtlich aus Holtheim.

Sämmtliche Erschienene begaben sich an die oberhalb der Mühle belegene Stelle, an welche der Merkpfahl gesetzt werden sollte, hier angelangt, wurde der Merkpfahl 1,5′ vom Anfange des hölzernen Mühlengerinnes eingesetzt, und ist der Kopf desselben 0,56′ über der Sohle des Mühlengerinnes eingetrieben. Als zweite Höhe ist derselbe 0,86′ über der Sohle des Gerinnes neben der Mühle. Die erstgenannte Höhe der Sohle der Rinne stimmt mit der früheren vollständig überein. Ein eigentlicher Fachbaum ist nicht vorhanden, weil keine Freiarche[?]  da ist. Nach Ueberzeugung des Herrn Kreisbaumeisters Hammacher ist die vorhandene Höhe des Merkpfahls durchaus angemessen und die Wasserhöhe nicht im Stande, weder oberhalb, noch unterhalb der Mühle den Adjacenten einen Grund zur Beschwerde abzugeben.
Die anwesenden Adjacenten erkennen dieses und die Setzung des Merkpfahles hiermit als vollzogen an und erklären, daß sie Nichts weiter zu erinnern haben.
Der mitanwesende Herr Kreisrichter Schmitz aus Lichtenau war dem Gange des Geschäftes gefolgt und erklärte sich mit demselben überall einverstanden

Es folgen die Unterschriften des Landrates sowie aller Beteiligten. Quelle: Amtsarchiv Lichtenau,
Akte B 464. Ein Schreiben mit demselben Wortlaut an die Regierung in Minden befindet sich unter Signatur M 1 I U Nr. 666 im Staatsarchiv Detmold.


2.3 Streit um die Staurechte der Stampfmühle, 1888

Quelle des nachfolgendes Schriftwechsels: Amtsarchiv Lichtenau, Akte B 464.

An den Herrn Rittergutsbesitzer Tenge Wohlgeboren zu Rietberg

Das Königliche Landrathsamt zu Büren hat die Vorlage der Concessions-Urkunde über den Betrieb der Stampf- u. Kohlenmahlmühle [sic!] zu Marschallshagen, mit welcher in neuerer Zeit auch eine Glasschleiferei verbunden ist, verlangt, weil der Müller August Schilling zu Holtheim sich durch die Glasschleiferei bedingte Aufstauung des Wassers beschwert fühlt, weshalb ich um gefällige Vorlegung Ihrer [hier bricht das Schreiben leider ab.]
Schillings Beschwerde wird nicht unbegründet gewesen sein. Während die Stampfmühle aller Wahrscheinlichkeit nach nicht täglich in Betrieb war, wird dies nach Anlage der Schleiferei wohl der Fall gewesen sein. Da die Stampfmühle im Schwallbetrieb mit Stauteich arbeitete, fiel der Bach in der Aufstauphase des Teiches natürlich trocken und der Holtheimer Mühle des August Schilling stand nur das wenige Wasser aus dem Tiefen Bruch sowie etwas Quellwasser zur Verfügung.


An den Herrn Amtmann Wieneke, Wohlgeboren, Lichtenau

Ew. Wohlgeboren erwiedere auf das gefl. Schreiben de. 13 c Nr. 2006 ich ergebenst, daß, gelegentlich eines Feuerschadens in der Registratur[?] des Guts Niederbarkhausen im Jahre 1848 die Anlagen der Glashütte Marschallshagen betreffenden Acten [unleserl.] abhanden gekommen sind, ich daher zu bedauern habe, mit dem gewünschten Schriftstücke nicht dienen zu können. Sollte das nahe zu 50.jährige Bestehen der Glashütte mit [unleserl.] neben den [unleserl.] Bestimmungen wegen Benutzung[?] von Wasser, innerhalb des Gutsbezirkes im concreten Falle, eine hinlängliche Gewähr für die Stampfmühle und Schleiferei nicht bieten, so dürfte dem Müller Schilling der Umstand zur Beruhigung dienen, daß keiner seiner Vorbesitzer seither gegen das bestehende und auch stets ausgeübte Staurecht Widerspruch erhoben hat, dieses sogar in dem vor Königl. General-Commission abgeschlossenen Reparations-Recesse de 28. October 1848 Art. III [unleser.] ausdrücklich vorbehalten, und anerkannt worden ist.

Schloß Holte den 16. August 1884    (gez.) Tenge


An den Müller August Schilling zu Holtheim
Büren, 10. September 188

Die in Folge Ihrer hier unterm 5. Juni angebrachten Beschwerde angestellten amtlichen Ermittlungen haben ergeben, daß der Betrieb der auf der Glasfabrik Marschallshagen befindlichen Stampf- und Kohlenmahlmühle[sic!] bereits im Jahre 1834 eingerichtet und durch den jetzigen Pächter derselben keine Änderung  in der Lage und Beschaffenheit, der Betriebsstätte durch Einrichtung derselben zur Glasschleiferei vorgenommen worden ist mithin die Betriebsstätte der Concessionspflicht nach Maßgabe der Gewerbe-Ordnung um so weniger unterliegt, als auch das Recht zur Stauung des Baches bereits durch den Separationsrezeß der Gemeinde Holtheim vom 28. October 1848 gesetzlich gesichert ist.

Der Königliche Landrath  Fr. von Oeynhausen
Gesehen             Lichtenau, eodem Der Amtmann    gez. Wienecke


Die Familien August Schilling und die Holtheimer Mühle 1881 bis 1908

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